Teure Energiewende: Das kostet den Steuerzahler der Atommüll

Der Abbau von Atommeilern und die Endlagerung kosten 170 Milliarden Euro. Während die Konzerne nur einen Bruchteil zahlt, fällt die Hauptlast auf den Steuerzahler.

Es ist schön für die Autofahrer, wenn sie mit einem Zuschuss von 4000 Euro je Fahrzeug in ein sauberes elektromobiles Zeitalter brausen – angetrieben irgendwann von Wind und Sonne, heute auch noch von Kohle. Es ist weniger schön für die Steuerzahler, dass sie künftig die Risiken für das zurückliegende atomare Zeitalter tragen müssen. Auf Euro und Cent lässt sich der Betrag, der pro Kopf dafür fällig wird, zwar noch nicht beziffern. Aber ziemlich sicher ist: Die Rechnung wird kaum aufgehen, wonach ein von den Stromfirmen gespeister Fonds für alle anfallenden Kosten ausreicht – wie es in dieser Woche ausgerechnet eine Kommission unter dem Vorsitz des langjährigen Atomkritikers und früheren Umweltministers Jürgen Trittin versprochen hat.

Die Gefahr für die Steuerbürger liegt in einer fast schon absurd exakten Zahl, gemessen an dem langen Zeitraum: Bis zum Jahr 2099 sollen sich die Kosten für den Rückbau der Kraftwerke und die „Entsorgung“ der Brennstäbe auf 169,8 Milliarden Euro summieren. So haben es im vergangenen Jahr die Wirtschaftsprüfer von Warth & Klein für das Bundeswirtschaftsministerium ausgerechnet. In einem „Stresstest“ sollten sie untersuchen, ob die Konzerne die Kosten überhaupt aus den dafür bestimmten Rückstellungen schultern können.

Vor allem die Annahmen über künftige Fortschritte bei der Einrichtung eines „Endlagers“ für den Atommüll muten einigermaßen abenteuerlich an. Sie beruhen nicht nur auf alten Kostenschätzungen für den Standort Gorleben aus den 1990er Jahren, die einfach mit einer jährlichen Kostensteigerung von drei Prozent hochgerechnet wurden. Sie gehen auch von der Annahme aus, dass das Lager exakt im Jahr 2054 in Betrieb gehen kann und dann bis zum Jahr 2098 die Behälter mit dem radioaktiven Material aufnimmt.

Das alles geschieht vor dem Hintergrund, dass es Erfahrungen mit einem solchen Endlager weltweit nirgends gibt, und in der selbstgewissen Annahme, dass der Müll mit dem Jahr 2099 endgültig vergraben und vergessen ist. „Die veraltete Kostenermittlung für das Endlager kann nur als unbefriedigend bewertet werden“, geben die Gutachter von Warth & Klein auch offen zu. Und: „Hohe Kostensteigerungen sind denkbar“, fügen sie an. „Hohe Kostensenkungen sind hingegen eher unrealistisch.“

Die nächste Schwierigkeit stellt sich bei der Frage, wie viel Geld man in Preisen von heute zurücklegen muss, um über die nächsten 83 Jahre jene knapp 170 Milliarden Euro zur Verfügung zu haben. Die Rechnung ähnelt dem Kalkül, das beim Abschluss einer Rentenversicherung über den Lebensstandard im Alter anzustellen ist. Das ist schon über ein Erwerbsleben von 40 Jahren schwierig genug, zumal sich die Grundannahmen über die letzten Jahrzehnte mehrfach verändert haben. Stellt man solche Kalkulationen für den doppelten Zeitraum an, macht es die Sache nicht leichter.

Am Markt seien „keine Renditen für solch lange Zeiträume beobachtbar“, merken die Wirtschaftsprüfer daher an – und greifen hier wie auch bei den angenommenen Preissteigerungen auf „historische Durchschnitte“ zurück. Demnach soll das künftige Fondsvermögen jährlich mit 4,58 Prozent verzinst werden. Die durchschnittliche jährliche Inflationsrate beziffert das Gutachten auf 1,6 Prozent, die zusätzlichen nuklearspezifischen Kostensteigerungen auf 1,97 Prozent im Jahr.

Die reale Rendite beträgt folglich rund ein Prozent, was das Fondsvermögen mehrt und den Rücklagebedarf aus heutiger Sicht vermindert – alles wohlgemerkt auf der Basis sehr wagemutiger Schätzungen. Zwar lassen sich langfristige Trends am Kapitalmarkt erfahrungsgemäß leichter prognostizieren als kurzfristige Schwankungen, trotzdem hätte wohl niemand vor 83 Jahren – also anno 1933 – die Entwicklung von Inflationsrate und Verzinsung bis ins Jahr 2016 zutreffend vorhergesagt.

Finanziellen Restrisiken bleiben am Steuerzahler hängen

Die Trittin-Kommission legte nun all diese Annahmen zugrunde und kam damit, Stand heute, auf einen Kapitalbedarf von 48,8 Milliarden Euro. Davon sollen die Energieversorger die Kosten für den Rückbau der Kraftwerke selbst tragen, das ist ein überschaubares Geschäft mit kalkulierbarem Risiko. Bleiben die Kosten für Zwischen- und Endlagerung. Dafür haben die Konzerne bislang 17,2 Milliarden Euro zurückgestellt. Dieses Geld sollen sie nun in den Fonds einzahlen, zuzüglich eines Aufschlags von sechs Milliarden Euro und der seit Anfang vorigen Jahres aufgelaufenen Zinsen – macht insgesamt rund 24 Milliarden Euro.

Der Clou dabei ist: Damit sind die Firmen alle Sorgen los, die gewaltigen finanziellen Restrisiken bleiben am Steuerzahler hängen. Dementsprechend sprang der Aktienkurs der Stromfirmen nach Bekanntgabe des Kommissionsberichts sofort nach oben.

Ex-Minister Trittin glaubt trotzdem, dass der Steuerzahler am Ende einen guten Deal macht: Wer weiß schon, ob die schwächelnden Konzerne im Jahr 2099 überhaupt noch existieren – oder ob sie auf dem Weg dorthin unter der 170-Milliarden-Last zusammenbrechen. Für den Steuerzahler ist es demnach besser, die Unternehmen kümmern sich schnell um den Rückbau der Kraftwerke und zahlen jetzt gleich ihre 24 Milliarden Euro in den Fonds ein, als dass der Fiskus am Ende alles übernehmen muss.

Andere Befürworter des Kompromisses argumentieren, dass der Staat in Gestalt des Atomministers Franz Josef Strauß die zögernden Konzerne zum Einstieg in die neue Energieform geradezu nötigte. Und dass es wiederum die Politik war, die nach Fukushima die Verschrottung der Reaktoren verfügte – auf den mehrheitlichen Wunsch jener Bürger, die das finanzielle Restrisiko jetzt tragen müssen. Teurer als die Kaufprämie für Elektroautos ist es allemal: Sie kostet den Bund nur 0,6 Milliarden Euro.

Quelle: faz.net
Autor: Ralph Bollmann, Korrespondent für Wirtschaftspolitik der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung in Berlin

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